Aufriss der Tagung

⏱️ Programm

Die judäische Militärkolonie in Elephantine als wichtige Referenzgröße für Sozial-, Kultur- und Religionsgeschichte der nachexilischen Zeit

Die Nilinsel Elephantine gehört zu den wichtigsten Ausgrabungsstätten des Alten Ägyptens. Vor allem wegen der Siedlung von Judäerinnen und Judäern sowie zahlreicher Papyrusfunde auch mit religiösen Texten ist dieser Ort auch für die Religions- und Theologiegeschichte des antiken Israels interessant, da sich hier eine spezifische Form des YHWH-Glaubens erhalten hat.

Die AGAT-Tagung 2023 will sich mit den neueren Erkenntnissen zur Archäologie und Geschichte von Elephantine beschäftigen und diese in den weiteren sozio-kulturellen und religionsgeschichtlichen Kontext einordnen. Berlin als Tagungsort erlaubt, die Sammlung des Ägyptischen Museums sowie das ERC-Projekt „ELEPHANTINE: Lokalisierung von 4000 Jahren Kulturgeschichte. Texte und Schriften der Insel Elephantine in Ägypten“ in unseren wissenschaftlichen Austausch einzubinden. Prof. Dr. Verena Lepper, die Kuratorin der ägyptisch-orientalischen Papyrussammlung des Ägyptischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin und Principal Investigator des ERC-Projektes, wird bei der feierlichen Eröffnung der Tagung am Montagabend in ihrem Eröffnungsvortrag Ergebnisse des ERC- Projekts vorstellen, Einblicke in die Papyrussammlung in Berlin geben und Elephantine in seiner breiteren kulturgeschichtlichen Bedeutung ansprechen.

Inhaltlich ist die Tagung in drei Panels strukturiert: Im ersten geht es um eine historische Einordnung Elephantines im ägyptischen und internationalen Kontext, im zweiten um eine Beschreibung des „Belief System“, das sich in Elephantine ausmachen lässt, sowie um eine Korrelierung mit anderen jüdisch-judäischen Glaubensgemeinschaften und im dritten um das Phänomen der Schriftlichkeit im nachexilischen und persischen Kontext.

1. Panel: Abgrenzung und Identität – Interaktion in einem multikulturellen, internationalen Umfeld

Um die Religionsform Elephantines angemessen beurteilen zu können, ist zunächst eine Verortung und Einordnung der archäologischen Befunde sowie eine historische Rekon- struktion der judäischen Besiedlung nötig. Am Beispiel der Gemeinde von Elephantine zeigt sich, wie YHWH-Gläubige mit einem multikulturellen und internationalen Umfeld interagieren und wie sich Identität und Abgrenzung realisieren. Diese Prozesse werden vor historischen, archäologischen, soziologischen und ägyptologischen Befunden näher profiliert werden. Zunächst ist die Entstehung der judäo-aramäischen Militärkolonie von Elephantine zu skizzieren, damit vor diesem historischen Hintergrund die religiösen Texte adäquat eingeordnet werden können. In einem zweiten Schritt wird der archäologische Befund erhoben werden, wobei vor allem der Yahu-Tempel mit dem umgebenden judä- ischen Viertel besonders in den Blick genommen werden. In einem dritten Schritt wird schließlich das aramäische Erbe in Elephantine skizziert. Schließlich ist der ägyptische Kontext darzustellen, mit dem sich die judäische Gruppierung auseinandersetzen musste. Gerade das nahe gelegene ägyptische Viertel mit dem prominenten Chnum-Tempel lud zur Auseinandersetzung ein.

2. Panel: Das „Belief System“ von Elephantine im Blick auf andere jüdisch-judäische Gruppierungen

Um das Phänomen Elephantine in einen breiteren Kontext einzuordnen, wird die kultur- anthropologische Kategorie Belief System herangezogen: „That ‚belief system‘ is a hermeneutical concept that can help in detecting the world-view in a society. Searching for a belief system is searching for the properties and propositions of the members of a society or a culture” (Becking 1999, 258). Mithilfe dieses heuristischen Konzepts kann Elephantine verortet werden im ägyptischen Umfeld und der Diaspora von Alexandria sowie im Kontext eines polyzentralen Jahwismus in Palästina (im Spannungsfeld von Jerusalem und Samaria) und schließlich der babylonischen Diaspora. Als Referenzgröße dienen theologische Entwicklungen in der alttestamentlichen Literatur der Perserzeit.

3. Panel: Autoritative Schriftlichkeit

Die archivierten Texte aus Elephantine zeugen von Schriftlichkeit als selbstverständlichem Merkmal des sozialen und kulturellen Lebens. Ein Vergleich mit den Texten der Hebräischen Bibel und der für sie angenommenen Situationen der Schriftwerdung und Tradierung ist auf verschiedenen Ebenen sehr ertragreich. So ist zu fragen, welchen Status Schreiber besaßen, in welchen Kontexten Schreiben und Schrift eingesetzt wurden und wie verbreitet bzw. anerkannt sie waren. Von besonderem Interesse sind die Funktionen, die der Schriftlichkeit zugebilligt wurden. Dabei kann die Frage nach der Funktionalität zugespitzt werden auf verschiedene Gattungen wie etwa Listen, Verträge (Sachtexte) und weisheitliche/religiöse Texte („Literatur“). Die Entwicklung der Schriftkultur, wie sie sich an Sachtexten und literarischen Texten in Elephantine zeigt, kann als Horizont der Entste- hung und Tradierung von Texten der Hebräischen Bibel der nachexilischen Zeit ver- standen werden. Schließlich eignet sich die material-orientierte Forschung zu Schreiben und Schrift in Elephantine und Ägypten auch dazu, literargeschichtliche Aspekte zur Hebräischen Bibel zu diskutieren.

⏱️ Programm

Montag 4.9.2023
ab 16:00 Anreise & Tagungsanmeldung in der Akademie (für die Gäste im Hotel Aquino) 17:45 Uhr: Treffpunkt Kath. Akademie für den gemeinsamen Gang zur Theol. Fakultät
ab 17:00 Tagungsanmeldung an der Theologischen Fakultät
18:30 Begrüßung & Eröffnungsvortrag mit anschließendem Empfang in der Theol. Fakultät (Hörsaal 008)
Rednerin: Verena Lepper

| --- | --- | | 7:30 | Gottesdienst mit Erzbischof Heiner Koch | | 8:15 | Gemeinsames Frühstück in der Kath. Akademie | | | 1. Panel: Abgrenzung und Identität – Interaktion in einem multikulturellen, internationalen Umfeld | | 9:00 | Zur Entstehung der judäoaramäischen Militärkolonie von Elephantine Erasmus Gaß Handout | | 9:50 | Zur Archäologie des judäoaramäischen Viertels und des Tempels. Erkenntnisse und offene Fragen Alexander Schütze | | 10:40 | Kaffeepause | | 11:10 | Aramäisches Erbe in Elephantine  Herbert Niehr | | 12:00 | Zur ägyptischen Umwelt der judäoaramäischen Militärkolonie von Elephantine. Ägyptische Religion und Kultur Friedhelm Hoffmann | | 13:00 | Gemeinsames Mittagessen in der Kath. Akademie | | | 2. Panel: Das „belief system“ von Elephantine im Blick auf andere jüdisch-judäische Gruppierungen | | 14:30 | The influence of the multi-religious context on the belief system of the Yehudites in and around Elephantine Bob Becking | | 15:20 | Kaffeepause | | 15:50 | Die Kreolisierung YHWHs in Elephantine – oder was passiert, wenn man sich aus den gewohnten Bahnen löst Christian Frevel | | 16:40 | „Zwischen“ Jerusalem und Samaria? Die jüdische Gemeinde in Elephantine im Kontext perserzeitlicher regional ausdifferenzierter Judentümer Katharina Pyschny | | 17:30 | Ende | | 18:00 | Gemeinsames Abendessen in der Kath. Akademie | | 19:15 | Geschäftssitzung | | im Anschluss | Gemütliches Beisammensein |

Mittwoch 6.9.2023
ab 6:30 Frühstück
8:15 Andacht (Gestaltung: Sigrid Eder)
9:00 Judäer und judäische Identität in babylonischem Umfeld. Die Tafeln von Al-Jahudu
Dagmar Kühn
9:50 Zwischen Partikularismus und Universalismus. Themen der späten Perserzeit im Alten Testament
Oliver Dyma
10:40 Kaffeepause
3. Panel: Autoritative Schriftlichkeit
11:10 Briefe, Erlasse, Listen – Funktionen der Schriftlichkeit in Elephantine und im Buch Esra-Nehemia
Maria Häusl Literaturliste
12:00 Anmerkungen zu Status und Herkunft der Schreiber in Elephantine und zur Funktion der nicht-aramäischen Lehnwörter in den Texten
Martin Staszak
13:00 Mittagessen (incl. Kaffeepause)
14:20-15:00 Parallele Short-Papers I

Hannes Neitzke : „Ein Sohn (männlich und weiblich) oder eine Tochter“ (TAD B3.4:21f.) – Frauen und ihre Erkennbarkeit in Elephantine (Ort: BIT, Hannoversche Str. 6, Raum 1.31)

Thomas Staubli: Siegel und Siegelungen im Kontext der aramäischen Papyri von Elephantine (samt einem Update zur BIBEL+ORIENT Datenbank Online an der Universität Fribourg) (Ort: BIT, Hannoversche Str. 6, Raum 0.02)

Werner Urbanz: Ezechiel ante portas? Die Ägyptensprüche in Ez 29–32 perserzeitlich gelesen (Ort: BIT, Hannoversche Str. 6, Raum 4.24) | | 15:00-15:40 | Parallele Short-Papers II

Konrad Kremser: Leontopolis. Ein weiterer jüdischer Tempel in Ägypten (Ort: BIT, Hannoversche Str. 6, Raum 1.31) Handout

Sarah Hollaender: Nude Females and Ithyphallic Males: The Figurines from the 'Aramaic Quarter' of Elephantine (Ort: BIT, Hannoversche Str. 6, Raum 0.02) | | ab 15:45 | Kulturprogramm | | 19:30 | Festliches Abendessen im Prater Biergarten, Kastanienallee 7-9, 10435 Berlin |

Donnerstag 7.9.2023
ab 6:30 Frühstück
8:15 Andacht (Gestaltung: Benedict Schöning)
9:00 Die Personennamen aus Elephantine im Kontext des nachexilischen hebräischen Onomastikons
Annemarie Frank
9:50 Die Judäer/Aramäer von Elephantine und der Tempel des Chnum
Bernd Schipper
10:40 Kaffeepause
11:10 Abschluss-Diskussion & Verabschiedung
12:30 Mittagessen in der Kath. Akademie

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